Rupert Sheldrake und Matthew Fox
Was haben Engel mit Photonen gemein? An den Gedanken, dass es im Universum noch ein höheres Bewusstsein geben könnte als das des Menschen, haben wir uns mittlerweile schon gewöhnt. Während das Genre des Science fiction dieses Bewusstsein oft recht naturwissenschaftlich-technisch und kriegerisch darstellt, häufen sich in den letzten Jahren die Bücher und Filme über die unsichtbaren Schutzengel und ihre Aktivitäten mitten unter uns. Die persönlichen Schutzengel stellen aber nur einen kleinen beschränkten Ausschnitt der astronomischen Zahl von geistigen Wesenheiten im Kosmos dar. Davon sind jedenfalls Matthew Fox, ein bekannter amerikanischer Theologe und sein Dialogpartner, der englische Biochemiker und Philosoph Rupert Sheldrake überzeugt.
Sheldrake hatte bereits in den achtziger Jahren in der naturwissenschaftlichen Welt für zum Teil zornigen Aufruhr gesorgt, als er mit seinem Buch ,,Das schöpferische Universum'' eine Revolution in der Biologie einläutete. In diesem Buch legte er dar, daß das gesamte sichtbare Universum vom Atom über den Menschen bis zu Galaxiehaufen von nicht-materiellen Feldern organisiert wird, die sich nicht auf die bekannten Felder der Physik zurückführen lassen. Diese Felder seien wie Kugeln in Kugeln hierarchisch, oder besser ,,holarchisch'' (holon, griechisch: das Ganze) gegliedert, so dass sich zum Beispiel mehrere Atomfelder in einem Molekülfeld befinden, die wiederum von einem Kristall- oder Makromolekülfeld organisiert werden. Jede Ganzheit ist also immer gleichzeitig Teil einer größeren Ganzheit, so wie sich der Mensch als selbstbestimmtes Individuum (,,Unteilbares'') und als Teil der Menschheit empfindet. So wie kein Eichenblatt der Welt einem anderen gleicht, erkennt man es doch auf Anhieb. D.h., diese Felder geben ein ,,unscharfes'' Ziel vor und entziehen sich somit einer exakten Vorausberechnung.
Die Autoren des im Kösel-Verlag erschienenen Buches ,,Engel, die kosmische Intelligenz'' bringen jene Felder in Verbindung mit Kreativität und Bewusstsein und entwickeln vor dem Auge des Lesers einen schöpferischen Dialog. An Hand dreier großer Vertreter der traditionellen Angeologie (Lehre von den Engeln), unter ihnen Hildegard von Bingen und Thomas von Aquin, unternehmen sie den Versuch, nach rund dreihundert Jahren der Trennung von Geistes- und Naturwissenschaft traditionelle Vorstellungen über die Engel in Bezug zu neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, vor allem aus der Physik, zu setzten. Ohne in plumpe Gleichsetzungsversuche zu verfallen, fragen die Autoren nach dem Wesen der Dinge und nutzen dabei tabulos das kreative Denken in Analogien. So stellen Fox und Sheldrake beispielsweise erstaunliche Parallelen zwischen dem Wesen der Engel nach Thomas von Aquin und dem Wesen der Photonen, wie Einstein es beschrieb, und zwar hinsichtlich ihrer Bewegungsweise, ihrer Alters- und Masselosigkeit.
Und seit sich in den späten sechziger Jahren die so genannte ,,Urknalltheorie'' in der Naturwissenschaft durchgesetzt hat, die besagt, dass das Universum vor rund 15 Milliarden Jahren aus in einem unvorstellbar heißen, stecknadelkopfgroßen Punkt heraus ins Dasein trat und sich noch immer ausdehnt und entwickelt, bekommen auf einmal alte Überlieferungen eine Aktualität, die Licht und Feuer als Attribute der geistigen Wesenheiten sehen, die der Gottheit am nächsten stehen. Auch ,,Luzifer'' (der ,,Lichtträger'') gehörte nach Hildegard von Bingen zu ihnen.
Fox und Sheldrake entwerfen ein Zukunftsbild, in dem die Welt wieder geheiligt und dadurch heil werden kann. Dies nun aber nicht durch die bloße Anerkennung eines höheren, wesenhaften Bewusstseins, sondern durch den gezielten, ja forschenden Versuch, das Wirken von Engeln in allen Bereichen des sich entwickelnden Mikro- und Makrokosmos zu erkennen und mit ihnen in Kontakt zu treten. Es wäre schon eine spannende Angelegenheit, wenn die gesamte, heute in unzählige Spezialdisziplinen untergliederte Wissenschaft in eine Forschung des Bewusstseins im Kosmos mündete. Angesichts sich verschärfender globaler, ökologischer Bedrohungen allemal einen Versuch wert. Götz Wittneben